Netzwerkarbeit

Um den Gedanken der gemeinschaftlichen Selbsthilfe und selbsthilfefreundliche Rahmenbedingungen zu fördern, sollten sich Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen mit anderen Akteuren vernetzen und kooperieren.

Die Vernetzung kann mit verschiedenen Einrichtungen, Institutionen oder Vereinigungen stattfinden:

  • Fachbezogene Beratungsstellen, Versorgungseinrichtungen und Berufsgruppen zur Selbsthilfeunterstützung auf regionaler Ebene, besonders interessant sind Anbieter von sozialen, psychosozialen, gesundheitlichen, familienpflegerischen und frauenfördernden Dienstleistungen
  • Vereine, Verbände, Behörden, Krankenkassen, fachliche Arbeitskreise, kommunalpolitische Gremien und kirchliche Einrichtungen
  • Selbsthilfegruppen zur Stärkung ihrer Zusammenarbeit, zur Unterstützung bei ihrer Interessenvertretung, zur Bildung von Selbsthilfegruppen bei seltenen Themen, bei der gemeinsamen Betroffenensuche
  • Andere Selbsthilfekontaktstellen insbesondere auf überregionaler Ebene mit Landesselbsthilfekontaktstellen oder Landesarbeitsgemeinschaften der selbsthilfekontaktstellenansässigen themenspezifischen Selbsthilfevereinigungen
  • Selbsthilfeprojekte zur Abstimmung der Angebote, zur Fallbesprechung und Weiterbildung

Instrumente der Vernetzung

Im Rahmen der Netzwerkarbeit sind folgende Aufgaben relevant:

  • Unterstützung des Informationsaustausches zum Beispiel durch Informationsverteiler oder Organisation von Kontakt- und Austauschtreffen
  • Gewinnung und Vermittlung von Fachreferent*innen
  • Erstellen von Arbeitshilfen und Dokumentationen zur Zusammenarbeit im Selbsthilfebereich
  • Anregung / Planung / Durchführung von Veranstaltungen / Arbeitskreisen von Selbsthilfegruppen, Selbsthilfegruppen und Professionellen im sozialen und gesundheitlichen Bereich, Professionellen im Bereich der Selbsthilfeunterstützung, unterschiedlichen bürgerschaftlich Engagierten, Selbsthilfegruppen und Politik sowie Verwaltung

Vernetzung mit anderen professionellen Beratungsstellen und Versorgungseinrichtungen

Eine mögliche Kooperation findet zum Beispiel zwischen der Selbsthilfekontaktstelle mit anderen professionellen Beratungsstellen und Versorgungseinrichtungen statt.
Beispielsweise werden Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen angesprochen,

  • um die Kooperation zwischen Versorgungseinrichtungen und Selbsthilfegruppen zu fördern. Beispielsweise wenn eine Klinik oder ein Gesundheitszentrum beabsichtigt, die Zusammenarbeit mit Patient*innen- bzw. Gesundheitsselbsthilfegruppen zu stärken.
  • um Kompetenzen zu erlangen, die es ermöglichen, das bisherige Angebot einer Versorgungseinrichtung um ein neues selbsthilfeorientiertes Angebot für die Patient*innen/Klient*innen zu erweitern. Beispielsweise wenn unter dem Dach einer Familienberatungsstelle für Klient*innen eine Selbsthilfegruppe für „Frauen nach Trennung“ entstehen soll.

Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstelle haben somit eine Multiplikatoren-Funktion. Sie transportieren ihr Fachwissen zur Selbsthilfeunterstützung zu anderen professionellen Versorgungseinrichtungen. Wichtig ist es hierfür, ein Angebot zu konzipieren und öffentlich zu machen.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit als Multiplikator*in einer Selbsthilfekontaktstelle ist, dass vorab Beratungsziel, -umfang und -dauer geklärt sind. Genauso wichtig ist auch, die Rahmenbedingungen bei anderen professionellen Versorgungseinrichtung sowie mit ihren Mitarbeitenden zu klären.
Insbesondere muss eine solche Einrichtung signalisieren, dass

  • sie in der Lage ist, für eine Selbsthilfegruppe Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel einen angemessenen Raum zu festgelegten Zeiten.
  • die Gründung und gegebenenfalls Anfangsbegleitung einer Selbsthilfegruppe durch Mitarbeitende als Arbeitszeit eingestuft wird.
  • gemeinsam mit den Betroffenen die tatsächliche Bereitschaft zur Mitarbeit in einer Selbsthilfegruppe geklärt und deren Autonomie sowie die Fähigkeit anerkannt werden, dort die Anliegen in die eigene Hand zu nehmen.
  • sie bereit ist, die neue Rolle und Funktion von Mitarbeitenden der Selbsthilfekontaktstellen anzunehmen und diese von den sonst bestehenden Aufgaben abzugrenzen. Da das sehr voraussetzungsvoll ist, kann dies zumindest anfangs zu einer Mehrbelastung führen.

Vernetzung von Selbsthilfegruppen und professionellen Versorgungseinrichtungen

Eine Kernaufgabe der Mitarbeitenden von Selbsthilfekontaktstellen ist, Selbsthilfegruppen mit professionellen Versorgungseinrichtungen, Institutionen und Organisationen vor Ort zu verknüpfen, die Zusammenarbeit zu fördern und zu erleichtern.

Potenzielle Kooperationspartner für Selbsthilfegruppen sind die klassischen sozialen und gesundheitsbezogenen Versorgungseinrichtungen wie Krankenhäuser, Rehakliniken, niedergelassene Fach- und Hausärzt*innen, Psychotherapeut*innen, Krankenkassen und soziale Dienste. Kooperationen können je nach lokalen Gegebenheiten auch mit Schulen, Volkshochschulen, einer Universität, einer Fachpflegeschule vor Ort, mit Beratungsstellen, mit Apotheken, mit einer Seniorenbegegnungsstätte oder einem anderen Verein sinnvoll sein oder sich ergeben. Selbsthilfekontaktstellen können hierbei in ihrer „Brückenfunktion“ die Rolle eines Mittlers und Katalysators einnehmen.

Kennzeichnend ist auf Seiten vieler professioneller Versorgungseinrichtungen immer noch ein Mangel an Information und Kenntnissen über Selbsthilfegruppen, um ihre Patient*innen/Klient*innen an diese verweisen zu können. Die Selbsthilfekontaktstelle als die zentrale Vermittlungsstelle ist dabei hervorzuheben. Auch manche Berührungsängste und Vorurteile bestehen fort. Meistens fehlt es aber an Zeit und Ideen, wie eine Kooperation gestaltet werden könnte, die beiden Seiten und letztlich den Patient*innen/Klient*innen nützt.

Kooperationen zwischen Selbsthilfegruppen und professioneller Versorgung leben vor allem von persönlichen Kontakten, das heisst sie sind selten strukturell verankert. So ist bei einem Wechsel des Personals in der Versorgungseinrichtung nicht sichergestellt, ob bestimmte Vereinbarungen – beispielsweise eine Selbsthilfegruppe auf einer Klinikstation bietet regelmäßig Sprechzeiten für Patient*innen an – weiterhin bestehen.
Einseitig bleibt häufig auch der Wunsch vieler Selbsthilfegruppen, dass bereits in der Arztpraxis, im Krankenhaus, in der Beratungsstelle, bei der*dem Therapeut*in die Patient*innen/Klient*innen und/oder Angehörige aktiv auf die Gruppe aufmerksam gemacht werden. Eine systematische Zusammenarbeit von Selbsthilfegruppen und Versorgungseinrichtungen führt zu verbindlichen Absprachen auf beiden Seiten, die einhaltbar sein sollten.

Größere Chancen ergeben sich gegenwärtig aber dadurch, dass insbesondere im Gesundheitsbereich die systematische Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen zu einem spezifischen Krankheitsbild zunehmend zum Selbstverständnis der Versorgungseinrichtungen und des Versorgungsauftrags gehört.

Vieles können Selbsthilfekontaktstellen zur Kooperationsförderung tun: Zur Entwicklung und Stabilisierung einer verbindlichen Zusammenarbeit können sie eine regelmäßige Begegnung / einen Erfahrungsaustausch zwischen Selbsthilfegruppen und Mitarbeiter*innen von kooperationsbereiten Versorgungseinrichtungen organisieren und anbieten, beispielsweise beim Gesamttreffen.
Sie können Selbsthilfegruppen dazu anregen, mit ärztlichen Qualitätszirkeln oder Arzt-Patient-Foren Kontakt aufzunehmen, um dort mitzuwirken. Bei diesen können sie die Bereitschaft stärken, in ihre Beratungen die Erfahrungen von Selbsthilfegruppen einzubeziehen.
Selbsthilfekontaktstellen können von sich aus mit relevanten Institutionen vor Ort zu spezifischen Selbsthilfethemen Kooperationen vereinbaren und Selbsthilfegruppen zu diesen Themen den Weg ebnen. Das Konzept der selbsthilfefreundlichen Gesundheitseinrichtungen bietet hierfür wichtige Hilfestellungen.

Netzwerk Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen 

Verankerung der Selbsthilfe in Versorgung und Gemeinwesen

Die Verankerung der Selbsthilfe in Versorgung und Gemeinwesen und die Schaffung eines selbsthilfefreundlichen Klimas ist eine zentrale soziale und politische Aufgabe der Mitarbeitenden der Selbsthilfekontaktstellen. Dazu gehören

  • die Mitwirkung in und die Mitgestaltung sozialer Zusammenhänge, wie Familie, Nachbarschaft oder Sozialraum,
  • die Beteiligung an politischen Prozessen, wie Interessenvertretung und Gremienarbeit und
  • die Netzwerkbildung und Kooperation mit Versorgungseinrichtungen, Institutionen, Organisationen, Gruppen und Initiativen vor Ort.

Selbsthilfekontaktstellen sind Orte der Begegnung, des Austauschs, des „Empowerments“ und des gemeinschaftlichen Handelns. Die themen-, fach- und trägerübergreifende Perspektive der Selbsthilfeunterstützungsarbeit eröffnet den Mitarbeitenden zahlreiche Möglichkeiten in der Kommune, dem unmittelbaren Lebens- und Wirkungskreis von Selbsthilfegruppen, initiativ, innovativ und gestaltend tätig zu sein: bei der Gesundheitsförderung, bei der Patientenbeteiligung, in der Stadtteilarbeit, in den Netzen bürgerschaftlichen Engagements.

Gemeinsame Interessen vertreten: Mitwirkung an Gestaltungsprozessen und Gremienarbeit

Besonders groß ist der Einfluss der Selbsthilfekontaktstellen, wenn es gelingt, den Selbsthilfegruppen-Gedanken und den Ansatz der Selbsthilfeunterstützung und -förderung gezielt in die fachliche Versorgung und die Kommunalpolitik einzubringen und dort zu etablieren. Zu erreichen ist eine solche Einflussnahme etwa durch die Mitwirkung an fachlichen und politischen Prozessen und Gremien, vor allem wenn sie planenden, entscheidenden beziehungsweise entscheidungsvorbereitenden und gestaltenden Charakter haben.

Selbsthilfekontaktstellen können sich an Gremien beteiligen, die sich mit gesundheitlichen und sozialen Fragen befassen und in denen Weichenstellungen für zukünftige Entwicklungen gestellt werden. Das sind natürlich die Gremien der kommunalen Selbstverwaltung und solche Gremien, die unmittelbar mit der Selbsthilfe und der Selbsthilfeförderung zu tun haben. Beispiele sind kommunale Förderbeiräte, die manche Kommunen flankierend zur Selbsthilfeförderung eingesetzt haben sowie sogenannte „Arbeitskreise“ oder „Arbeitsgemeinschaften zur Förderung der Selbsthilfe“. Solche Gremien sind unterschiedlich zusammengesetzt. Je nach örtlichen Gegebenheiten arbeiten in ihnen Vertreter*innen von Krankenkassen, öffentlicher Hand, aus Selbsthilfekontaktstellen, aus Selbsthilfegruppen/-organisationen, aus Verbänden und anderen sozialen Organisation zusammen.

Oftmals sind an diesen Prozessen auch Vertretungen von Selbsthilfegruppen beteiligt und arbeiten in themenspezifischen Arbeitskreisen engagiert mit. Dies verdeutlicht, dass Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen nicht für, sondern mit Selbsthilfegruppen Belange und Interessen vertreten. Darüber haben Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen eine Chance, themenübergreifend die Vernetzung und Mitwirkung von Selbsthilfegruppen im kommunalen Kontext voranzutreiben. Ein Hauptanliegen der Prozessmitwirkung und Gremienbeteiligung ist die Förderung von Selbsthilfegruppen und der Selbsthilfekontaktstelle sowie die Sicherung und Verbesserung von Rahmenbedingungen für die Entstehung und die Arbeit von Gruppen. Angesichts der knappen Ressourcenlage öffentlicher Haushalte wird dies immer wichtiger.

Verhandlungsstrategien für die Anbahnung von Kooperationen und Netzwerken

Eine Möglichkeit der Verhandlung ist das „Sachbezogene Verhandeln“ nach dem Harvard Konzept von Fisher, Ury und Patton (2015). Diese Form der Verhandlung zielt auf gegenseitigen Nutzen der Beteiligten hin. Sie ist „hart in der Sache aber weich zu den Menschen“. Sachbezogenes Verhandeln nach dem Harvard Konzept ist von vier Grundgedanken geprägt:

  1. Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln
  2. Auf Interessen konzentrieren, nicht auf Positionen
  3. Vor der Entscheidung verschiedene Wahlmöglichkeiten entwickeln
  4. Das Ergebnis an neutralen Entscheidungsprinzipien messen

1. Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln
„Verhandlungspartner sind zuallererst Menschen.“ Die Menschen, die im Rahmen einer Verhandlung zusammenkommen, wollen in ihrer Verschiedenheit und Sichtweise auf die Dinge akzeptiert und anerkannt werden. Dies setzt einen respektvollen Umgang miteinander voraus. Gerade wenn die Verhandlungspartner absehen können, dass sie auf längere Sicht immer wieder Verhandlungen miteinander führen müssen, zum Beispiel Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstelle mit Mitarbeitenden einer bestimmten Krankenkasse, sollten beide Seiten Wert auf die Pflege ihrer Beziehung legen. Eine tragfähige Beziehung zum Verhandlungspartner – die nicht mit Freundschaft gleichzusetzen ist – macht auch harte Auseinandersetzungen in der Sache und um den Verhandlungsgegenstand leichter. Wenn eine grundsätzliche Akzeptanz zwischen den Menschen gegeben ist, kann auch hart in der Sache gerungen werden. Die Autoren schlagen dabei folgende Wege vor, um diesem Ziel näher zu kommen:

  • Die Fähigkeit, sich in die Lage des Verhandlungspartners hineinzuversetzen, seine Perspektive zu verstehen und dies auch zum Ausdruck bringen zu können. Dies halten die Autoren für eine wesentliche Fertigkeit im Verhandlungsprozess. Interessant ist hier die Parallele zu einer gelungenen Mediation: Auch hier ist die Phase des wechselseitigen Verstehens des jeweiligen Konfliktpartners entscheidend für eine mögliche Konfliktlösung.
  • Beide Seiten, die eigenen Interessen und die Interessen des anderen, im Blick haben und formulieren können. Dazu gehört auch, dafür zu sorgen, die Gegenseite frühzeitig in den Verhandlungsprozess mit einzubinden und nicht eigenständig die Ergebnisse vorzugeben.
  • Emotionen spielen in Verhandlungen eine große Rolle, da es oft um viel geht. Die Autoren empfehlen, nicht auf emotionale Ausbrüche reagieren – Gefühle der anderen akzeptieren.
  • Häufig tauchen in der Verhandlung Kommunikationsprobleme auf, weil die Verhandlungspartner nicht zuhören können oder es zu Missverständnissen kommt. Wichtig ist es deshalb, sich gegenseitig aufmerksam zuhören und Rückmeldung geben über das, was verstanden wurde, um Missverständnissen vorzubeugen.

2. Auf Interessen konzentrieren, nicht auf Positionen
Wie oben erwähnt, verhandeln Menschen oft um Positionen, ohne die Interessen und Bedürfnisse, die dahinterstehen, zu formulieren. Die Autoren schlagen deshalb vor, diese „eigentlichen“ Beweggründe bei einer Verhandlung in den Vordergrund zu stellen. Dies bietet die Chance sich einerseits tatsächlich besser verstehen zu können und andererseits neben unterschiedlichen Interessen auch gemeinsame Interessen herauszuarbeiten, die das Verhandlungsergebnis für beide Seiten befriedigender machen können. Für diesen Aspekt hält das Harvard-Konzept folgende Anregungen bereit:

  • Die wichtigsten Interessen sind menschliche Grundbedürfnisse wie Sicherheit, wirtschaftliches Auskommen und Zugehörigkeitsgefühl. Dies gilt es in jeder Verhandlung zu berücksichtigen und im Auge zu behalten. Hierin stecken auch die schon erwähnten gemeinsamen Interessen.
  • Diese und andere Interessen gilt es in Einklang zu bringen, nicht die Positionen, die davor stehen. Dazu müssen die eigenen Interessen benannt und verdeutlicht und die Interessen der anderen gewürdigt und als Teil des Problems anerkannt werden. Dabei werden gemeinsame und gegensätzliche Interessen herausgefunden, benannt und festgehalten.

3. Vor der Entscheidung verschiedene Wahlmöglichkeiten entwickeln
Die Verhandlungspartner*innen glauben meist, die aus ihrer Sicht richtige Antwort für die Lösung schon zu kennen. Diese vorschnellen Urteile bei der Suche um die richtige Lösung verhindern meist gute Ergebnisse im Sinne aller Beteiligten. Um zu einer für alle Beteiligten möglichst guten Übereinkunft zu kommen, halten es die Autoren für wichtig, zunächst möglichst viele Optionen zu formulieren. Dazu eignet sich am besten ein Brainstorming in Form einer Ideensammlung, wo alles was denkbar ist, erstmal benannt werden kann, ohne gleich bewertet zu werden. Es geht dabei darum, sich von einer Denkweise zu verabschieden, die darauf abzielt sich vorschnell auf die eine richtige Lösung zu konzentrieren. Verhandeln nach dem Harvard-Konzept bedeutet an dieser Stelle, „den Kuchen zu vergrößern“, in dem möglichst viele kreative Alternativen entwickelt werden.

4. Das Ergebnis an neutralen Entscheidungsprinzipien messen
Wie sehr das bisher dargestellte Verhandlungskonzept die Verhandlung bereits vorangebracht hat – es kann sein, dass auch gegen Ende die harte Realität einander widerstreitender Interessen im Raum steht, die eine Verhandlungslösung noch nicht ermöglicht. Die Vertreter der Selbsthilfekontaktstelle stehen immer noch auf dem Standpunkt, dass das Modellprojekt, um das es gerade geht, vollständig von der Krankenkasse finanziert wird, deren Vertreter stehen auf dem Standpunkt, dass auch die öffentliche Hand ihren Teil dazu beitragen soll. Es besteht die Gefahr, dass jede Seite versucht, mit aller Macht ihren Willen durchzusetzen. Dies ist anstrengend, kostet viel Kraft und bringt meist kein gutes Ergebnis, mit dem beide Seiten leben können.

In dieser Phase der Verhandlung ist es deshalb sinnvoll, nach neutralen Entscheidungsprinzipien zu suchen, auf deren Grundlage dann eine Einigung möglich wird. Kriterien könnten – bezogen auf das obige Thema – zum Beispiel Vergleichsfälle sein, die Orientierung bei der Finanzierung von Modellprojekten schaffen. Wichtig dabei ist, dass die Kriterien von beiden Seiten anerkannt werden und nicht einseitig ein entsprechender Maßstab gesetzt wird (Liefert 2019).

Quellennachweise

Fisher, Roger / Ury, William / Patton, Bruce M. (Hrsg.): Das Harvard-Konzept. Die unschlagbare Methode für beste Verhandlungsergebnisse. 25. Auflage. Frankfurt am Main; New York 2015, 306 S.

Liefert, Götz: Fit für Verhandlungen. Unveröffentlichtes Skript zur gleichnamigen NAKOS-Fortbildung. Berlin 2019

NAKOS (Hrsg.): Selbsthilfe unterstützen. Fachliche Grundlagen für die Arbeit in Selbsthilfekontaktstellen und anderen Unterstützungseinrichtungen. NAKOS Konzepte und Praxis 1. Berlin 2006
https://www.nakos.de/publikationen/key@100