Beratung und Begleitung von Selbsthilfegruppen

Viele Selbsthilfegruppen gründen sich ohne direktes Zutun einer Selbsthilfekontaktstelle. Auch arbeiten Selbsthilfegruppen jahrelang, ohne ein professionelles Unterstützungsangebot in Anspruch zu nehmen. Sie schätzen es jedoch zu wissen, dass professionelle Beratung und Begleitung in Anspruch genommen werden kann, wenn sie denn gebraucht würde.

Unterschiede Beratung und Begleitung

Wichtig ist es, zwischen der Beratung und der Begleitung von Selbsthilfegruppen zu unterscheiden. Eine Beratung von Selbsthilfegruppen findet außerhalb der regulären Gruppensitzungen statt. Sie bezieht sich auf Organisation, Gruppendynamik und Kommunikation von Selbsthilfegruppen. Eine Begleitung findet während der regulären Gruppensitzungen statt. Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen geben Informationen weiter, vermitteln Fertigkeiten und nehmen mit Rückmeldungen zum Gruppengeschehen Einfluss, um den Gruppenverlauf und das Gruppenklima zu verbessern.

Beratung oder Begleitung nehmen die Mitarbeitenden der Selbsthilfekontaktstellen nur dann vor, wenn das die gesamte Selbsthilfegruppe wünscht. Nur so ist gewährleistet, dass kein Gruppenmitglied sie als aufgezwungen empfindet. Beratung und Begleitung beziehen sich auf die Gruppe als ganzes und nicht auf die Probleme einzelner Mitglieder.

Beratung und Begleitung von Selbsthilfegruppen kann in den folgenden unterschiedlichen Phasen nötig werden und sollte dann stattfinden, wenn die gesamte Selbsthilfegruppe dies wünscht oder die Gründungssituation dies erfordert:

  1. Gründungssituation, bei der Gründungsversammlung, erste Gruppensitzung
  2. Startphase, bei den ersten drei bis maximal zehn Gruppensitzungen
  3. Auftreten von praktischen und organisatorischen Problemen, zum Beispiel bei der Vereinsgründung oder der finanziellen Förderung
  4. Wunsch nach Rückmeldung über den Gruppenverlauf und nach Belebung des Gruppengeschehens zum Beispiel Erfahrungsaustausch, Fortbildungen
  5. Konfliktsituationen, die den Bestand der Gruppe gefährden
  6. Neuorientierung und Änderung der Ziele einer Selbsthilfegruppe

Gruppengründung

Krisenbegleitung

„Settings“ von Beratung und Begleitung

Beratung und Begleitung von Selbsthilfegruppen können in unterschiedlichen Formen und Situationen stattfinden. Hier sind einige aufgelistet und beschrieben.

Anleitungsphasen – Begleitung während der Gruppensitzung
Eine „Anleitung“ von Selbsthilfegruppen hilft dabei, einen Gruppenprozess einzuleiten und Stabilität zu erreichen. Sie beinhaltet die Teilnahme an mehreren Gruppensitzungen. Umfang und Dauer sind mit der Gruppe abzustimmen.
Es gibt für eine gelungene Anleitungsphase kein festes Schema. Je nach Selbsthilfethema und Zusammensetzung der Gruppe muss unterschiedlich verfahren werden.

Generell gilt: so viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Dabei haben sich Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen (im Team: in der Supervision) immer kritisch zu prüfen, denn die Gefahr der „An-Leitung“ ist ihr fließender Übergang zur Leitung, und zwar durch eine Fachperson.

Eine Begleitung einer neuen Selbsthilfegruppe über die ersten drei Treffen hinaus stellt einen Balanceakt dar. Die Mitarbeitenden der Selbsthilfekontaktstellen sollten ihre Rolle dazu gut reflektieren und mit der Gruppe genau abstimmen, wozu und in welcher Funktion die Begleitung erfolgt. Oberstes Ziel muss dabei sein, dass die Gruppe am Ende dieser Phase in der Lage ist, selbstständig und autonom zu arbeiten. Sinnvoll kann eine begrenzte Begleitung in folgenden Fällen sein:

  • Die neue Selbsthilfegruppe braucht für den Prozess der Klärung der Erwartungen, der Regelbildung, der Arbeitsweise und der Aufgabenverteilung mehr als ein oder zwei Treffen. Es ist hilfreich, diesen Prozess weiter zu unterstützen, wenn die Gruppe dies ausdrücklich wünscht. Dies kann zum Beispiel bei hoher Fluktuation in den ersten Treffen besonders wichtig sein. Mit jeder Klärung zum Beispiel von Regeln, Abläufen oder Arbeitsweisen wird die Gruppe selbstständiger. Die Mitarbeitenden der Selbsthilfekontaktstellen merken das daran, dass sie immer weniger kommentieren oder moderieren müssen.
  • Die neue Gruppe beschäftigt sich mit psycho-sozialen Themen wie Depressionen oder Ängsten. Hier kann eine begrenzte Begleitung in der Anfangsphase wichtig sein, weil der angemessene Umgang der Betroffenen mit ihren Themen genauer ausgehandelt werden muss, damit es nicht zu Überforderungen oder Verletzungen untereinander kommt. Auch der Prozess der Gruppenbildung mit den oben genannten Klärungen dauert bei diesen Themen oft länger (Liefert 2019).

Teilnahme an Gruppensitzungen – Begleitung während der Gruppensitzung
Durch die Teilnahme an Gruppensitzungen besteht für Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen die Möglichkeit, die Gruppe als Ganzes zu beraten, wodurch alle Mitglieder den gleichen Informationsstand erhalten und im Falle von Konflikten alle Positionen gehört werden können und zum Tragen kommen.

Beratung im Rahmen von Gesamttreffen
Im Rahmen von Gesamttreffen können Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen auf die Anliegen und Probleme von Gruppenmitgliedern beziehungsweise ganzer Selbsthilfegruppen eingehen. Der Vorteil einer Gruppenberatung im Rahmen von Gesamttreffen ist, dass auch Mitglieder aus anderen Gruppen ihre Erfahrungen einbringen und ihrerseits vom Beratungsprozess profitieren. Da in aller Regel nicht alle Gruppenmitglieder an einem Gesamttreffen teilnehmen, werden nur einzelne beraten, die ihre persönliche Sichtweise darstellen. Dies kann sich nachteilig auf den Gruppenverlauf beziehungsweise auf eine Konfliktlösung auswirken.

Gesamttreffen

Durchführung von „Kursen“, Fortbildungs- und 
Supervisionsveranstaltungen – Beratung
Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen können Kurse, Fortbildungen, thematische Arbeitsgruppen, Workshops, Blockseminare und Ähnliches zur Reflexion und Wissenserweiterung von Selbsthilfegruppen anbieten oder entsprechende Angebote anderer Einrichtungen vermitteln beziehungsweise mit solchen Einrichtungen zusammenarbeiten. Eine besondere, aber eher seltene Form ist der „Anleitungskurs für Gruppengründer*innen“.

Merke: Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen sollten stets den Unterschied von Beratung oder Begleitung einer Selbsthilfegruppe im Vergleich zum Anbieten von Kursangeboten, Fortbildungs- und Supervisionsveranstaltungen deutlich machen: Sie haben bei letzterem eine klare Leitungsfunktion und die Verantwortung für das Gelingen. Bei der Beratung und Begleitung haben sie die Funktion von Reflexionspartner*innen.

Ablauf und Formalia einer Gesprächs-Selbsthilfegruppe

Ablauf

Eingangsrunde:
Am Anfang jedes Gruppentreffens kommen jeweils die Teilnehmenden zu folgenden Fragestellungen kurz zu Wort: Wie geht es mir? Wie fühle ich mich? Welche Themen vom letzten Treffen haben mich noch weiter beschäftigt? Was erhoffe ich mir vom heutigen Treffen? Habe ich ein Thema, Problem, das ich unbedingt heute besprechen möchte?
Dieses Anfangsblitzlicht sollte nicht zu lange dauern und muss deshalb gut von der gewählten Gesprächsleitung moderiert werden. Kurze Beiträge, möglichst ohne Nachfragen, jedoch ohne den Zwang etwas sagen zu müssen, haben sich in der Regel bewährt.
Auch bei Gruppen, die sich schon länger treffen, ist es gerade für neue Mitglieder wichtig, dass sich alle Anwesenden kurz in der Anfangsrunde vorstellen.

Hauptteil der Gruppensitzung:
Für den Kernteil des Treffens kann es sinnvoll sein, Gesprächsthemen zu sammeln und die Bearbeitung dieser Themen für bestimmte Treffen zu vereinbaren.
Dazu können auch von einigen Teilnehmenden der Gruppe Vorbereitungen getroffen werden: zum Beispiel ein Rollenspiel, eine Geschichte, gruppendynamische Spiele oder eine gemeinsam gestaltete Wandzeitung. Um das hohe Informationsbedürfnis zum eigenen Thema zu stillen, hat sich auch die Einladung von Referent*innen von außen zu bestimmten Themen bewährt. Weitere bewährte Elemente sind Entspannungsübungen oder Gymnastik.
Das vereinbarte Thema sollte in der Regel bearbeitet werden, es sei denn, ein besonders dringliches Problem eines Gruppenmitgliedes steht an, welches sich meist aus der Eingangsrunde ergibt. Auch in diesem Hauptteil der Gruppensitzung kann ein kurzes Zwischenblitzlicht ein gutes Medium sein, um „Störungen” in der Gruppenatmosphäre ans Licht zur bringen, jeder der Teilnehmenden sollte das Recht haben, eine solche kurze Zwischenrunde einzufordern. Zum Beispiel wenn der Gruppenablauf ins Stocken gerät; wenn vom Thema weg geredet wird; wenn langes Schweigen eintritt; wenn Uneinigkeit über das Vorgehen oder den weiteren Verlauf besteht; wenn ein Gespräch sehr lange zwischen wenigen Teilnehmenden hin und her geht.

Schlussrunde:
Den Abschluss jedes Gruppentreffens bildet eine kurze Feedbackrunde, das sogenannte Abschlussblitzlicht, das allen Beteiligten die Gelegenheit bietet Rückmeldungen zum heutigen Treffen zu geben und Ideen für die nächsten Treffen einzubringen: Wie ist es mir ergangen beim heutigen Gruppentreffen? Was ich eigentlich noch sagen wollte… Welche Erwartungen habe ich an das nächste Treffen? Erfahrungsgemäß fällt es schwer, das Abschlussblitzlicht einzuhalten: die ersten wollen gerade heute früher gehen, das Thema war so spannend, die Gruppe findet „kein Ende”. Es ist aber von großer Bedeutung, da Verärgerung und Frustration durch das Ansprechen ein Ventil erfahren und sich die Gefahr verringert, dass Teilnehmende kommentarlos weiteren Gruppentreffen beiwohnen.

Formalia

Dauer: Die Dauer eines Treffens sollte zwei Stunden nicht überschreiten, da die Konzentration vor allem in den Abendstunden sonst stark nachlässt. Deshalb ist es wichtig, ein klares Ende der Gruppensitzung zu vereinbaren. Hilfreich ist es hier, zwei Personen mit der Gesprächsmoderation zu beauftragen: Ein*e Moderator*in konzentriert sich auf ein ausgeglichenes Gruppengespräch und dass jede*r, der möchte zu Wort kommt, der/die andere achtet auf die Einhaltung der Zeit.

Pausen: Eine Pause ermöglicht Sicht- und Platzwechsel und lässt unangenehme Störungen oft gar nicht erst aufkommen: Gerade Neulinge können hier mit „alten Hasen” intensive Einzelgespräche führen und werden oft schneller in die Gruppe integriert.

Informelles Beisammensein: Bewährt hat sich, beim Gruppentreffen noch ein informelles ,,Nachtreffen” anzukündigen und abzusprechen. Alle, die möchten, können so völlig freiwillig und unverbindlich persönliche Kontakte zu den anderen Gruppenmitgliedern aufbauen und pflegen.

Gruppengröße: Für eine Gesprächsselbsthilfegruppe bietet sich eine Gruppengröße von acht bis zwölf Teilnehmenden an, um ein persönliches und intensives Gespräch zu ermöglichen. Bei nach außen orientierten Selbsthilfegruppen/Selbsthilfeorganisationen gibt es oft wesentlich größere Teilnehmerzahlen: Es ist sinnvoll, hier immer wieder Raum für Kleingruppen anzubieten.

Weitere Rahmenbedingungen: Ein fester Zeitpunkt, variiert in der Regel von einmal wöchentlich bis vierteljährlich, und ein neutraler, verkehrsgünstiger und ungestörter Raum für die Gruppentreffen sind wichtige Voraussetzungen, um die Gruppe gelingen zu lassen. Neben Selbsthilfekontaktstellen bieten sich beispielsweise Weiterbildungs- und Beratungseinrichtungen, Gemeindezentren oder Kliniken an, um kostengünstige Gruppenräume für die Treffen zu finden.

Gruppenregeln für Selbsthilfegruppen

Damit der Ablauf der Gruppentreffen möglichst reibungslos funktioniert und sich eine Atmosphäre des Vertrauens entwickeln kann, sind von der Gruppe beim Start bestimmte Regeln zur Gruppenarbeit gemeinsam zu vereinbaren.

Hier eine Zusammenfassung von bewährten „Spielregeln” einer Selbsthilfegruppe, die jedoch je nach Gruppe abgewandelt werden können.

Vertraulichkeit: Alles, was in der Gruppe besprochen wird und geschieht, wird nicht nach außen getragen.
Wer möchte, kann anonym bleiben.

Pünktlichkeit sollte selbstverständlich sein. Jedes Mitglied nimmt die Zeit der anderen ernst.

Verantwortung: Jedes Mitglied in der Gruppe übernimmt die Verantwortung für sich selbst. Es wird darauf geachtet, nur soviel von sich preiszugeben, wie jedes Mitglied möchte.

Gegenseitige Achtung: Jedes Mitglied hört aufmerksam zu, soll zu Wort kommen können, fällt niemandem ins Wort und hält sich mit Interpretationen zurück. Seitengespräche mit den Sitznachbarn können das Gruppengespräch erheblich stören. Meist sind dies wichtige Beiträge, die für alle interessant sind oder weisen auf sogenannte „Störungen” hin.

Störungen haben Vorrang: Emotionen, Ablenkungen, Konzentrationsprobleme brauchen in der Gruppe immer Raum und sollten möglichst rasch angesprochen und bearbeitet werden.

Verbindlichkeit: Wenn jemand nicht zur Gruppe kommen kann, gibt die Person Bescheid.

Ehrlichkeit: Wer die Gruppe verlassen möchte, sollte sich möglichst unter Angabe der Gründe verabschieden.

Trinken, Essen und Rauchen kann sich störend auf die Konzentration auswirken.

Eine Besonderheit stellen die „Anonymen Gruppen”, zum Beispiel die Anonymen Alkoholiker, mit ihrem eigenen Konzept dar, das auf zwölf Schritten und zwölf Traditionen beruht, siehe auch Blaues Buch der Anonymen Alkoholiker. Weitere Kennzeichen sind die Anonymität, die Unabhängigkeit von finanziellen oder anderen Förderern, offene Meetings ohne vereinbarte Verbindlichkeit sowie eine spirituelle Dimension. Diese Gruppen finden sich vor allem im Bereich von Suchterkrankungen und psychosozialen Problemen und sind weltweit verbreitet.

Förderberatung von Selbsthilfegruppen

Zu den Aufgaben von Mitarbeitenden der Selbsthilfekontaktstellen gehört es, Selbsthilfegruppen dabei zu beraten, welche Bedingungen und Ressourcen sie brauchen, um ihre Ziele zu erreichen. Das beinhaltet auch das Thema Finanzen, sei es um die reguläre Gruppenarbeit überhaupt durchführen zu können, zum Beispiel die Raummiete, oder um bestimmte Vorhaben, zum Beispiel eine Informationsbroschüre, zu verwirklichen. Für Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen bedeutet dies, über örtliche Selbsthilfefördermöglichkeiten informiert zu sein, diese Informationen an die Gruppen weiterzugeben und dann, wenn Gruppen mit Finanzierungsfragen an sie herantreten, bei Kontakten zu Förderern und / oder bei einer Antragstellung Hilfestellung zu leisten. Unterschiedlichste Förderer kommen in Betracht: verschiedene Dezernate der Kommunen, manchmal auch Ministerien der Bundesländer, öffentliche oder private Stiftungen, die gesetzlichen Sozialversicherungen und private Geldgeber zum Beispiel Spenden und Sponsoring.

Die wichtigsten Förderer sind auf der Seite der öffentlichen Hand die Kommunen und auf der Seite der Sozialversicherungen die gesetzlichen Krankenkassen.

In vielen Kommunen hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten durchaus eine eigenständige Selbsthilfeförderpraxis entwickelt. Allerdings ist diese abhängig von der jeweiligen Haushaltslage. Bei den bereitgestellten Mitteln handelt es sich um sogenannte freiwillige Leistungen, die kaum Fördersicherheit bieten. Die Förderung wird unterschiedlich praktiziert und ist – nicht nur im Volumen – sehr von lokalen (oder Länder-) Gegebenheiten abhängig.

Anders, nämlich verpflichtend geregelt und mit einheitlichen Grundsätzen ausgestattet, ist die Selbsthilfeförderung der gesetzlichen Krankenkassen. Damit sind grundsätzlich eine größere Fördersicherheit und mehr Transparenz gegeben. Die Kriterien und Vorrausetzungen der Förderung sind nicht immer leicht zu durchschauen oder nachzuvollziehen.

Selbsthilfekontaktstellen nehmen daher auf örtlicher Ebene bei der finanziellen Förderung von Selbsthilfegruppen eine wichtige „Clearingfunktion“ ein, indem sie sich das erforderliche Wissen verschaffen und es weitergeben zum Beispiel über Förderquellen und Förderrichtlinien. Sie nehmen außerdem auch eine „Brückenfunktion“ wahr, indem sie Kontakte zwischen Gruppen und Förderern herstellen und sich beim Aushandeln von Fördermitteln, Förderrichtlinien und so weiter in Gremien und auch öffentlich für die Interessen von Selbsthilfegruppen einsetzen.
Somit sind in der Förderberatung von Selbsthilfegruppen auch zahlreiche Aspekte von „Öffentlichkeitsarbeit“, „Netzwerkarbeit und Kooperation“ sowie der „Verankerung der Selbsthilfe in Versorgung und Gemeinwesen“ enthalten. So gilt es zum Beispiel die Förderkriterien der Kommune und der gesetzlichen Krankenkassen, Materialien zu Anträgen und Verwendungsnachweisen oder Praxisleitfäden öffentlich zugänglich und gegebenenfalls dazu auch Pressearbeit zu machen. Selbsthilfeinterne wie auch öffentliche Beratungen unter Einbezug der Förderer sind zu organisieren und durchzuführen.
Je nach lokalen Gegebenheiten bietet sich bei der Finanzierungsberatung und der Beantragung sowie Abrechnung / Nachweisführung von Fördermitteln eine Zusammenarbeit mit Wohlfahrtsverbänden, Fachleuten aus Krankenkassen, der Kommune und anderen Geldgebern an. Eine gelungene Form dafür kann ein gemeinsamer Arbeitskreis sein.

Merke: Das Augenmerk während der Förderberatung mit Selbsthilfegruppen sollte immer wieder auf der Klärung der Zielsetzung der Gruppe und den daraus abgeleiteten Vorhaben liegen, für die Fördermittel beantragt werden sollen. Auch ist nicht zu unterschätzen, dass mit dem Wunsch nach finanzieller Förderung der eigenen Arbeit auch ein Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung von Institutionen und Versorgungseinrichtungen verbunden ist.

Selbsthilfeförderung

Öffentlichkeitsarbeit

Netzwerkarbeit

Detaillierte Informationen zu finanziellen Fördermöglichkeiten von Selbsthilfegruppen werden in NAKOS (Hrsg.): Starthilfe zum Aufbau von Selbsthilfegruppen. Ein Leitfaden. Berlin 2017, Kapitel 14 gegeben.
NAKOS: Starthilfe zum Aufbau von Selbsthilfegruppen

Eine beispielhafte Praxishilfe ist der vom GKV-Spitzenverband herausgegebene Leitfaden zur Selbsthilfeförderung. Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß §20hSGBV vom 10. März 2000 in der Fassung vom 27. August 2020.
GKV-Spitzenverband: Leitfaden zur Selbsthilfeförderung

Probleme bei der Begleitung

Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen bieten Hilfe für die Gruppenarbeit an, zum Beispiel Informationen über Gruppenregeln. Allerdings ist die Begleitung nicht mit einer therapeutischen Arbeit gleichzusetzen. Die Begleitung von Selbsthilfegruppen ist ein Balance-Akt: Einerseits werden Strukturierungshilfen und Empfehlungen für die Gruppenarbeit zum Beispiel Gruppenregeln gewünscht, andererseits ist es Aufgabe der Mitarbeitenden der Selbsthilfekontaktstelle, die vorhandenen Möglichkeiten und Fähigkeiten zur Selbsthilfe in der Gruppe „freizulegen“. Mitarbeitende müssen sich also davor hüten, zu normieren oder Ziele vorzugeben. Bei aller Zurückhaltung führte manchmal bereits die Vorstellung möglicherweise sinnvoller Gruppenregeln dazu, dass diese übernommen wurden ohne sie zu hinterfragen und die Selbsthilfegruppe sich nicht an ihren spezifischen Bedürfnissen und Möglichkeiten orientiert. Solche Wirkungen können auch von Selbsthilfeprogrammen, Lebenshilfe-Büchern oder psychotherapeutischen Verfahren ausgehen. Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen sollten solche Wirkungen im Auge behalten und sie offen mit der Gruppe erörtern.
Neben diesen grundsätzlichen Schwierigkeiten, kann es auch eine Vielzahl von problematischen Einzelaspekten in der Beziehung zwischen Selbsthilfegruppenmitgliedern und Mitarbeitenden geben.

Gefahren durch Mitglieder der Selbsthilfegruppen:

  • Selbsthilfegruppen können Mitarbeitende „vereinnahmen“ und in Konflikte verwickeln.
  • Sie können unrealistische Ziele haben und erwarten, dass Mitarbeitende diese erfüllen.
  • Sie können Mitarbeitende auch bei solchen Problemen hinzuziehen, mit denen sie sehr wohl aus eigener Kraft fertig werden könnten.
  • In der Gruppe können Probleme unangemessen dargestellt, Sach- und Beziehungsprobleme könnten vermischt werden.

Gefahren durch 
Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen:

  • Mitarbeitende können – oft unwillkürlich – die Selbsthilfekompetenz von Interessierten beziehungsweise Gruppen infrage stellen.
  • Sie können sich an Defiziten der Gruppen orientieren, statt die vorhandenen Möglichkeiten und Fähigkeiten aufzugreifen.
  • Sie können dem Impuls erliegen, sich auf einzelne Gruppenteilnehmende und nicht auf die gesamte Gruppe zu beziehen, wodurch Fraktionsbildungen verschärft oder sogar erst hergestellt werden können.
  • Sie können sich schwertun, eine zurückhaltende Rolle im Beratungs- und Begleitungsprozess einzunehmen. Sie können der Versuchung erliegen, ihre Stellung für persönliche Interessen, Neugier oder für berufliche Ambitionen auszunutzen. Sie können ihre Stellung für eine Dominanz bei der Definition und der Lösung von Gruppenproblemen missbrauchen.
  • Sie können Gruppen auf deren Weg zur Selbstfindung und Selbständigkeit überfordern und sie zu schnell verlassen.
  • Sie verhalten sich manchmal aus eigener Betroffenheit wie normale Teilnehmende und können sich dann nicht von der Gruppe abgrenzen oder nicht mehr ablösen.
Merke: Die Gefahr von Gruppenbegleitung oder festgelegten Programmen besteht darin, dass eine Fixierung auf berufliche Helfende oder auf eine bestimmte Vorgehensweise erfolgt und die Selbsthilfe-Gruppenarbeit nicht eigenständig entwickelt wird. Die Gruppe kann zum Beispiel nach dem Rückzug von den Mitarbeitenden der Selbsthilfekontaktstellen oder nach dem Ende des Programms mit „Entzugserscheinungen“ reagieren. Sie hat dann nicht genügend Zutrauen in ihre Fähigkeiten zur eigenständigen, selbstverantwortlichen Gestaltung der Gruppe gefasst. Dieser Umstand ist auch der Grund dafür, dass angeleitete Gruppen oft nicht so erfolgreich arbeiten, wie vielfach erhofft, und sich nach dem Ende der Anleitung so fühlen, als stünden sie wieder am Anfang.

Gruppenregeln für Selbsthilfegruppen

Selbsthilfegerechte Beratung

Der Begriff der selbsthilfegerechten Beratung wurde durch Michael Lukas Moeller geprägt und ist von besonderer Bedeutung, weil eine Beratung im Selbsthilfekontext eine andere ist, als in weiteren sozialen und gesundheitlichen Bereichen. Es geht nicht in erster Linie um die Fürsorge, wie es bereits in der Rubrik Berufsrolle beschrieben wurde, sondern selbsthilfegerechte Beratung nach Moeller (1993) bedeutet in erster Linie „mit jemanden beraten, nicht jemanden beraten“ (Moeller 1993, S. 50).

Die Mitarbeitenden der Selbsthilfekontaktstelle sollen in der Beratung und Begleitung nach Möglichkeit mit ihren Bemerkungen und Interventionen das Potenzial zur gemeinschaftlichen Selbsthilfe der Betroffenen fördern.

Es geht darum, im Rahmen eines offenen Austausches mit den Betroffenen oder den Gruppenteilnehmenden gemeinsam Wege zu finden, Lösungsansätze zu entwickeln und notwendige Maßnahmen zu besprechen. In dieser Rolle muss man nicht immer auf alles eine Antwort geben, sondern regt die Betroffenen oder Gruppenmitglieder an, untereinander eine angemessene Lösung zu finden. Diesen Prozess moderieren die Mitarbeitenden der Selbsthilfekontaktstellen und versuchen eine angenehme Atmosphäre für ein offenes Gespräch zu schaffen.

Damit eine selbsthilfegerechte Beratung erfolgen kann, sind drei Aspekte für die Mitarbeitenden Voraussetzung:

  • Ein Bewusstsein der beratenden Person für Beziehungen und hier insbesondere von der multipersonalen Beziehungsform der Gruppe
  • Anregung zur Selbstentwicklung geben ohne dabei in die Falle der Berater-Klient-Beziehung zu tappen, das heisst Beratende wissen mehr als ihre Gegenüber und versuchen dies auch zu vermitteln
  • Eigene Praxisreflexion vornehmen, im besten Fall durch Supervision (Moeller 1993, S. 50ff.)

Moeller empfiehlt ebenfalls, als Mitarbeitende von Selbsthilfekontaktstellen eigene Erfahrungen in Gruppenprozessen, gegebenenfalls sogar in Selbsthilfegruppen zu sammeln um mit diesen Kenntnissen andere beraten zu können. Denn auch wenn versucht wird, gewollt auf Augenhöhe zu beraten, so ist „der Beratungsprozess zu neun Zehntel unbewusst […] und nur zu einem Zehntel bewusst“ (Moeller 1993, S. 59).

Quellennachweise

Liefert, Götz: Grundlagen der Selbsthilfeunterstützung. Unveröffentlichtes Skript zur gleichnamigen NAKOS-Fortbildung. Berlin 2019

Moeller, Michael Lukas: Selbsthilfegerecht beraten. Besonderheiten der Einzel- und Gruppenberatung in der Selbsthilfe-Unterstützung. In: NAKOS EXTRA 20, September 1993, S. 50-67

NAKOS (Hrsg.): Selbsthilfe unterstützen. Fachliche Grundlagen für die Arbeit in Selbsthilfekontaktstellen und anderen Unterstützungseinrichtungen. NAKOS Konzepte und Praxis 1. Berlin 2006
https://www.nakos.de/publikationen/key@100