Selbsthilfe im ländlichen Raum

Etwa 20 Prozent der Menschen in Deutschland leben in ländlichen Regionen (Statistisches Bundesamt / Destatis 2020). Seit Jahren gibt es einen Trend der Abwanderung von meist jungen Menschen in städtische Gebiete. Der Anteil älterer Menschen auf dem Land erhöht sich durch den Wegzug weiter und verstärkt in dünnbesiedelten Gebieten die Auswirkungen des demographischen Wandels.

Ländliche Regionen sind sehr heterogen hinsichtlich ihrer Besiedlungsdichte und ihrer infrastrukturellen Ausstattung. Zugänge zur gemeinschaftlichen Selbsthilfe können durch große Entfernungen, mangelnde Mobilität und ungenügende technische Infrastruktur erschwert werden. Selbsthilfe-Unterstützungseinrichtungen stehen demnach vor anderen Herausforderungen als in urbanen Regionen.

Was braucht es, um Selbsthilfe noch mehr im ländlichen Bereich zu etablieren? Wie müssen Zugänge zu den Menschen gestaltet werden? Können digitale Angebote eine Chance sein?

Große Einzugsgebiete und Strukturen im ländlichen Raum

Die Verbreitung von Selbsthilfe-Unterstützungseinrichtungen ist in Städten und in ländlichen Gebieten sehr unterschiedlich geregelt. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG SHG) spricht sich dafür aus, dass es pro Stadt oder Landkreis nur eine Selbsthilfekontaktstelle gibt. Eine solche Bündelung ist inhaltlich sinnvoll, aber auch mit zum Teil sehr großen Einzugsgebieten verbunden. Manche Selbsthilfekontaktstellen sind gar für mehrere Einzugsgebiete zuständig. In ländlichen Regionen gibt es in der Regel weniger Selbsthilfe-Unterstützungseinrichtungen und auch weniger Selbsthilfegruppen, so dass der Zugang zur gemeinschaftlichen Selbsthilfe in schwächer besiedelten Gebieten erschwert ist. Hinzu kommt, dass die Personaldecke in den Einrichtungen ausgesprochen dünn ist, insbesondere im ländlichen Raum ist die Situation oft prekär (Thiel/Hundertmark-Mayser 2017).

Aktivierende Arbeitshaltung und die Chancen der Digitalisierung

Aufgrund oft großer räumlicher Entfernungen und Veränderungen hinsichtlich der Altersstruktur bedarf es anderer Formen der Selbsthilfeaktivierung und -begleitung. Die Selbsthilfeunterstützung konzentriert sich im ländlichen Raum immer mehr auf eine aktivierende, aufsuchende Arbeit. Das erfordert ein hohes Maß an Mobilität der Mitarbeitenden. Beratungsangebote an unterschiedlichen Orten ermöglichen meist erst Zugänge zu Interessierten und Selbsthilfeaktiven. Diese Rahmenbedingungen sind aber gleichzeitig mit hohem zeitlichem und finanziellem Aufwand verbunden, da weitere Räume angemietet werden müssen und zusätzliche Fahrtzeiten entstehen. Eine weitere Herausforderung ist es, genügend Teilnehmende für Gruppenneugründungen zu finden. Hier bieten digitale Angebote die Chance, dass trotz der Entfernungen ein Gruppenleben entstehen kann und Vernetzung untereinander ermöglicht wird. Auch in entlegenen Gebieten kann somit für die gemeinschaftliche Selbsthilfe geworben werden – vorausgesetzt die technische Infrastruktur ist vorhanden!

Quellennachweise

Statistisches Bundesamt / Destatis: Regions- und Kreistypen nach Fläche, Bevölkerung und Bevölkerungsdichte. Gebietsstand: 31.12.2019, 2020 https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Regionales/Gemeindeverzeichnis/Administrativ-Nicht/23-regionstypen.html

Thiel, Wolfgang / Hundertmark-Mayser, Jutta: Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen in Deutschland: Fachliche und institutionelle Bedarfe zur weiteren Enrwicklung eines wirkungsvollen Angebotes. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (Hrsg.), Selbsthilfegruppenjahrbuch 2017. Gießen 2017, S. 94–104. https://www.dag-shg.de/service/jahrbuecher/2017/