Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen bieten Hilfe für die Gruppenarbeit an, zum Beispiel Informationen über Gruppenregeln. Allerdings ist die Begleitung nicht mit einer therapeutischen Arbeit gleichzusetzen. Die Begleitung von Selbsthilfegruppen ist ein Balance-Akt: Einerseits werden Strukturierungshilfen und Empfehlungen für die Gruppenarbeit zum Beispiel Gruppenregeln gewünscht, andererseits ist es Aufgabe der Mitarbeitenden der Selbsthilfekontaktstelle, die vorhandenen Möglichkeiten und Fähigkeiten zur Selbsthilfe in der Gruppe „freizulegen“. Mitarbeitende müssen sich also davor hüten, zu normieren oder Ziele vorzugeben. Bei aller Zurückhaltung führte manchmal bereits die Vorstellung möglicherweise sinnvoller Gruppenregeln dazu, dass diese übernommen wurden ohne sie zu hinterfragen und die Selbsthilfegruppe sich nicht an ihren spezifischen Bedürfnissen und Möglichkeiten orientiert. Solche Wirkungen können auch von Selbsthilfeprogrammen, Lebenshilfe-Büchern oder psychotherapeutischen Verfahren ausgehen. Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen sollten solche Wirkungen im Auge behalten und sie offen mit der Gruppe erörtern.
Neben diesen grundsätzlichen Schwierigkeiten, kann es auch eine Vielzahl von problematischen Einzelaspekten in der Beziehung zwischen Selbsthilfegruppenmitgliedern und Mitarbeitenden geben.

Gefahren durch Mitglieder der Selbsthilfegruppen:

  • Selbsthilfegruppen können Mitarbeitende „vereinnahmen“ und in Konflikte verwickeln.
  • Sie können unrealistische Ziele haben und erwarten, dass Mitarbeitende diese erfüllen.
  • Sie können Mitarbeitende auch bei solchen Problemen hinzuziehen, mit denen sie sehr wohl aus eigener Kraft fertig werden könnten.
  • In der Gruppe können Probleme unangemessen dargestellt, Sach- und Beziehungsprobleme könnten vermischt werden.

Gefahren durch 
Mitarbeitende der Selbsthilfekontaktstellen:

  • Mitarbeitende können – oft unwillkürlich – die Selbsthilfekompetenz von Interessierten beziehungsweise Gruppen infrage stellen.
  • Sie können sich an Defiziten der Gruppen orientieren, statt die vorhandenen Möglichkeiten und Fähigkeiten aufzugreifen.
  • Sie können dem Impuls erliegen, sich auf einzelne Gruppenteilnehmende und nicht auf die gesamte Gruppe zu beziehen, wodurch Fraktionsbildungen verschärft oder sogar erst hergestellt werden können.
  • Sie können sich schwertun, eine zurückhaltende Rolle im Beratungs- und Begleitungsprozess einzunehmen. Sie können der Versuchung erliegen, ihre Stellung für persönliche Interessen, Neugier oder für berufliche Ambitionen auszunutzen. Sie können ihre Stellung für eine Dominanz bei der Definition und der Lösung von Gruppenproblemen missbrauchen.
  • Sie können Gruppen auf deren Weg zur Selbstfindung und Selbständigkeit überfordern und sie zu schnell verlassen.
  • Sie verhalten sich manchmal aus eigener Betroffenheit wie normale Teilnehmende und können sich dann nicht von der Gruppe abgrenzen oder nicht mehr ablösen.
Merke: Die Gefahr von Gruppenbegleitung oder festgelegten Programmen besteht darin, dass eine Fixierung auf berufliche Helfende oder auf eine bestimmte Vorgehensweise erfolgt und die Selbsthilfe-Gruppenarbeit nicht eigenständig entwickelt wird. Die Gruppe kann zum Beispiel nach dem Rückzug von den Mitarbeitenden der Selbsthilfekontaktstellen oder nach dem Ende des Programms mit „Entzugserscheinungen“ reagieren. Sie hat dann nicht genügend Zutrauen in ihre Fähigkeiten zur eigenständigen, selbstverantwortlichen Gestaltung der Gruppe gefasst. Dieser Umstand ist auch der Grund dafür, dass angeleitete Gruppen oft nicht so erfolgreich arbeiten, wie vielfach erhofft, und sich nach dem Ende der Anleitung so fühlen, als stünden sie wieder am Anfang.

Gruppenregeln für Selbsthilfegruppen